Fehlende Regulierungen in der Hörgerätebranche

Der Hörgerätebranche geht es gut

Der Hörgerätemarkt wächst weltweit jährlich zwischen 4-6%. In der Schweiz geht man von 2-4 % Wachstum pro Jahr aus. Der Preis für Hörgeräte ist zu hoch /Artikel vom 1.1.2024

Die Branche boomt, ersichtlich z. Bsp. durch die publizierten Erfolgszahlen von Sonova oder durch die Vielzahl der neuen Verkaufsgeschäfte, die wie Pilze aus dem Boden schiessen. Seit 2020 gibt es z. Bsp. die neue Kette Misenso von der Migros, die heute bereits 25 Filialen umfasst. Neuroth hat von den insgesamt etwa 80 Hörzentren in der Schweiz 15 erst seit etwas mehr als einem Jahr eröffnet: das Umsatzwachstum von Neuroth lag (gemäss Artikel PME v. 1.1.24) im 2023 bei etwa 25 %.

Fehlende Regulierungen in der Schweiz – im Gegensatz zu Deutschland

Der Schwerhörigen-Verein Nordwestschweiz (SVNWS) sieht eine der Hauptursachen des stagnierenden hohen Hörgeräte-Preisniveaus in der Schweiz darin, dass die Schweiz im Gegensatz zu Deutschland, dessen Pauschalsystem bei der Umstellung 2011 als Vorbild gedient hatte, auf wichtige Regulierungen verzichtet hat. In Deutschland werden vergütungsberechtigte Hörgeräte in einem verbindlichen Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V Produktgruppe 13: Hörhilfen entsprechend des Grades einer Hörbeeinträchtigung in Hörgeräteklassen aufgelistet. In jeder Hörgeräteklasse sind detailliert Leistungs- und Ausstattungsmerkmale definiert, die für die Vergütungsberechtigung erfüllt sein müssen. Es werden z. Bsp. nur Hörgeräte teilfinanziert, die individuell einstellbar sind und die man bei einer Verschlechterung des Gehörs nachstellen kann. In der Schweiz hingegen werden auch Hörgeräte über die Sozialversicherungen teilfinanziert, die fixe Voreinstellungen haben, sogenannte „Apotheker-Hörgeräte“. In Deutschland werden Hörgeräteversorgungen nur mitfinanziert, wenn eine ausgewiesene Fachperson die Hörgeräteanpassung vornimmt. In der Schweiz dürfen in Apotheken und Drogerien Hörgeräte von Laien verkauft werden – und auch in den Hörakustikfachgeschäften führen zum Teil nur angelernte Personen die Anpassungen durch, was den notwendigen Qualitätsanspruch nicht gewährleistet. Mehr

Da der Bund gegenüber der Branche auf jede Regulierung verzichtet hat, kann sie nach freiem Ermessen Leistungsklassen und entsprechende Preisklassen definieren, ohne diese offenlegen zu müssen. Die Folge: Ein Preisvergleich ist für die Betroffenen praktisch nicht möglich. Die Komplexität des technischen Angebotes verunmöglicht zudem, dass Betroffene, die ja Laien sind, eine optimale Kosten-Nutzenabwägung überhaupt vornehmen können. Dieses in der Hörgerätepreisstudie 2020 als Informationsasymmetrie bezeichnete Ungleichgewicht bevorteilt die Anbietenden: Die Betroffenen sind dem Markt ausgeliefert. Vertiefung

Die Betroffenen sind die Verlierer:innen. Der Wettbewerb spielt nicht, weil die Branche völlig liberalisiert ist und die Kundschaft die hohen Preise nicht hinterfragen kann. Die Betroffenen sind auf eine gute Versorgung angewiesen – und sie beissen seit Jahren in den sauren Apfel und bezahlen hohe Selbstkosten. Das ist nicht fair. Der SVNWS fordert Bund und Politik dringend dazu auf, gegenüber der Branche regulierende Massnahmen zu ergreifen.

Alle Forderungen des SVNWS

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